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Absage einer Dialektveranstaltung wegen diskriminierender Äußerungen der Organisation

Vorige Woche erreichte die Morgenschtean-Redaktion ein Anruf des Innviertler Dialektdichters Hans Kumpfmüller.

Das Stelzhamerhaus in Pramet (OÖ) hatte ihn eingeladen, Dialektlyrik zu lesen und darüber hinaus gebeten, er möge eine:n Musiker:in zur Begleitung vorschlagen. Hans Kumpfmüller entschied sich daraufhin für den Akkordeonisten Yevgenij Kobyakov, der bisher nicht nur bei zahlreichen Festivals angetreten ist, sondern auch als Jurymitglied bei internationalen Akkordeonwettbewerben im In- und Ausland tätig war.

Nachdem man sich im Netz Kostproben ihres Schaffens angehört hatte, meinte die Kuratorin des Kulturvereins in einem Mail an den Organisator der Veranstaltungen: Ja eh sehr gut, aber eben Balkanmusik. Wahrscheinlich hätte man sich in einem Mail direkt an Herrn Kumpfmüller anders ausgedrückt, doch die Nachricht wurde vom Organisator an den Dialektdichter weitergeleitet. Ganz abgesehen von der diskriminierenden Ausdrucksweise im Mail wurde – ohne Rücksprache mit dem Lyriker zu halten – schließlich ein lokaler Musiker als Begleitung für die Lesung gewählt. Hans Kumpfmüller zog daraufhin seine mündlich erfolgte Zusage wieder zurück.


Natürlich hat jede:r Veranstalter:in das Recht, vorgeschlagene Musiker:innen abzulehnen oder auch im Vorfeld eigene Vorstellungen anzubringen. Es kann jedoch nicht sein, dass Musiker:innen mit Migrationshintergrund abgelehnt werden, weil sie nicht österreichisch genug klingen. Gerade der „Balkansound“ hat in Österreich Tradition, einige unserer besten Musiker:innen stammen aus Südosteuropa sowie auch aus Russland, der Ukraine oder Moldawien.


Musik ist Geschmacksache – und Geschmack kann und darf sich wandeln, so wie auch der Dialekt selbst. Gerade die Arbeit der Kulturvereine trägt – im Idealfall – wesentlich zu mehr Offenheit und Toleranz innerhalb unserer Gesellschaft bei. Was gibt es Schöneres, als die Kombination aus einem „gstandenen“ Innviertler Dialekt, wie Hans Kumpfmüller ihn in seinen Gedichten bedient, mit den osteuropäischen Klängen eines Akkordeons?

Dialekt darf nicht dazu dienen, ein neues „Mia san mia“ heraufzubeschwören. Die Autor:innen der Ö.D.A. haben sich in ihrem Schaffen stets gegen jede Vereinnahmung des Dialekts durch rechtes Gedankengut, gegen Heimatverklärung und Heimattümelei gewehrt.


Pramet ist Geburtsort von Franz Stelzhamer. Der Mundartdichter und Verfasser der oberösterreichischen Landeshymne („Hoamatland, Hoamatland! / han di so gern / Wiar a Kinderl sein Muader / A Hünderl sein' Herrn“) ist heute mehr als umstritten, immerhin war Stelzhamer glühender Antisemit. Die „Balkanmusik“ hätte wohl auch er abgelehnt, soll er selbst einst gemeint haben: “Graz und seine wendisch-kroatischen Gesichter und Figuren wären nicht für mich zum längeren Genuße und Anblick.“ [1]


Aber auch dieser Vers stammt – wie Hans Kumpfmüller erinnert – von Franz Stelzhamer und spiegelt dessen eigentliche Einstellung zu seinem Heimatland wider:

„Ein Österreicher bin iAus’m Österreicher Land

Das ist zwar kein Unglück

Aber doch is’s a Schand.“ [2]


Gerade in Pramet, gerade im Stelzhamerhaus wäre eine Diskussion über Franz Stelzhamer, über seine Hymne, über die Bedeutung von Dialekt in der Literatur im Allgemeinen also eine spannende und notwendige Sache. Die Kombination Hans Kumpfmüller und Yevgenij Kobyakov wären ein schönes Zeichen gewesen – ein Zeichen für Toleranz und Offenheit.


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Anmerkungen

1 Ludwig Laher: Vom Aussaugen und Kopfabschlagen – Ergänzende Bemerkungen zu Franz Stelzhamer http://franzstelzhamer.at/Pdf/Laher.pdf

2 Anton Kuh: „Der Unsterbliche Österreicher“ (Knorr & Hirth, München 1931), S.8.

Yorumlar


Morgenschtean – Die Österreichische Dialektzeitschrit

Hg von: Ö.D.A. – Österreichische Dialektautor:innen

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Kontakt: morgenschtean@oeda.at

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