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Ulrike Düregger im Interview

"Das ist wie ein Auftrag, den ich mir spüre, gegen Unrecht den Mund aufzumachen"

Die steirische Regisseurin und Liedermacherin Ulrike Düregger lebt seit 30 Jahren in Berlin. Isabella Krainer hat die Künstlerin gefragt, warum sie Graz verlassen hat und wie es ihr mit ihren Dialektliedern in Berlin geht.





ISABELLA KRAINER: Du bist in Graz geboren und lebst seit 1993 als Regisseurin, Performing Artist, Sängerin und Liedermacherin in Berlin. Was hat dich als Künstlerin dazu bewogen, die Steiermark hinter dir zu lassen?

ULRIKE DÜREGGER: Ich bin wohl so eine typische Schütze-Frau, die es früh in die weite Welt hinausgezogen hat. Übrigens bin ich zwar in Graz geboren, aber in Neumarkt/Stmk., einem Ort mit 2000 Einwohner*innen, aufgewachsen. Ich war neugierig auf Menschen, auf Lebensmodelle, auf Kunst. Und da war mir die Steiermark etwas zu eng. Andererseits hat mich als junge Frau das „Motschgan“, das Meckern und Alles-Negativ-Sehen als Lebensgefühl, ziemlich g‘stört. Ich wollte ein Gegenbeispiel sehen und spüren. Die Verbundenheit zu meiner Heimat, die trotz der kritischen Perspektive immer da war und ist, kann ich vielleicht einfach besser aus der geografischen Ferne genießen und so im Herzen tragen.


ISABELLA KRAINER: Auf POSTTRAUM(A), deiner 2022 erschienenen CD, finden sich Folk, Pop und Jazz-Elemente. Ein musikalischer World-Mix. Sprachlich hast du dich bei fast allen Songs für steirischen Dialekt entscheiden. Warum?

ULRIKE DÜREGGER: Die Leute hören ja heutzutage Rap auf Kisuaheli und Chansons im Obertongesang, aber als ich in Berlin etwas mit Dialekt und auch noch in Zusammenhang mit Jazz machen wollte, da waren viele irritiert. Meinen Dialekt bezeichne ich als meine Muttersprache. Ich kann einfach anders singen und mich anders im Dialekt ausdrücken. Ich spüre mich im Dialekt mehr. Und alles immer auf Englisch zu singen, das nervt mich etwas. Das soll dann international klingen, tut es aber meiner Meinung nach nicht. Dialekt ist Identität, deswegen hab ich mich dafür entschieden. Und singen hat ja auch viel mit Seele und auch Heilung zu tun.

ISABELLA KRAINER: In Songs wie „A oida Moun“ oder „Wia woan Kinda“ geht es nicht zuletzt auch darum, das Leben Revue passieren zu lassen. Ist das in der Sprache der eigenen Kindheit einfacher? Oder vielleicht sogar schwieriger?

ULRIKE DÜREGGER: „A oida Moun“ ist tatsächlich ein Song, der zuerst aus englischen Phrasen entstanden ist. Aber ich wollte ihn unbedingt im Dialekt machen, weil ich festgestellt habe, dass diese Vater-Sohn-Geschichte überall stattfinden kann. Und „Wia woan Kinda“, ja, da verarbeite ich starke Kindheitserinnerungen. Mit meinen Geschwistern und Nachbarskindern waren wir oft alleine im Wald oder auf weiten Wiesen unterwegs. Manchmal gar nicht ungefährlich, wenn ich so zurückblicke. Aber dieses starke Band, diese Magie verändert sich, sobald man erwachsen wird.

ISABELLA KRAINER: Deine Texte, Performances, Theater- und Musikproduktionen sind von Themen wie Gewalt, Diversität, Identität und Feminismus geprägt. Nachhaltigkeit ist dir wichtig. Außerdem setzt du dich stark für Anti-Diskriminierung in Kunst/Kultur ein. Was gibt dir die Kraft, die eigene Stimme zu erheben?

ULRIKE DÜREGGER: Ja, das war mir eine Zeitlang selbst nicht so bewusst, weil ich das recht intuitiv gemacht habe. Ich hatte das Gefühl, ich kann einfach nicht anders. Es muss einfach raus. Aber dann wurde mir bewusst, in meiner Familie gab es unterschiedliche gewaltvolle Familiengeschichten, private und politische. Eine davon ist, dass meine Großeltern mütterlicherseits wegen „verbotener Liebesbeziehung“ – sie Österreicherin, er polnischer Zwangsarbeiter – ins KZ kamen und nur unsere Großmutter es überlebt hat. Ich denke, das ist wie ein Auftrag, den ich mir spüre, gegen Unrecht den Mund aufzumachen. Ich habe mich immer für Nachbarschafts-Aktivitäten interessiert, für gesellschaftliche, politische Vorgänge, mich gefragt, warum Menschen machen, was sie machen. Das fing schon in der Schule in Murau an und hat bis heute nicht aufg‘hert. Kraft gibt mir, dass ich weiß, dass ich das Richtige tue, indem ich Aktivitäten organisiere, Artikel schreibe oder es mit meiner Kunst verarbeite.


ISABELLA KRAINER: Wenn du dich im Alltag über etwas ärgerst. Schimpfst du dann auf Steirisch oder hörst du dann die Berlinerin?

ULRIKE DÜREGGER: Ah ja, doch, da kommt schon die Steirerin in mir raus. Letztens hat mich einer um halb neun in der Früh auf dem „Kampfplatz Fahrradweg“ von hinten etwas aggressiv angeklingelt. Ich sollte wohl schneller fahren – oder fliegen, keine Ahnung. Den hab ich ziemlich z’ammen g’staucht im Dialekt. Ich glaub, er hat nur die Vibes verstanden.

ISABELLA KRAINER: Du spielst mit deiner Band oft live vor Publikum. Wie werden deine steirischen Texte in Deutschland aufgenommen?

ULRIKE DÜREGGER: Es ist für mich nach wie vor auch oft überraschend, aber die Leute verstehen echt nix. Ich lass sie so aus Scherz manchmal nach einem Song raten, welche Sprache das war. Da kam sogar u.a. Irisch und Niederländisch. Einzelne Wörter werden oft verstanden, aber keine ganzen Sätze. Das ist echt Wahnsinn. Aber viele finden es einfach spannend. Und stimmig, also Dialekt und die Musik, das hab ich oft gehört und das freut mich dann.


ISABELLA KRAINER: Gibt es aktuell ein Projekt, von dem du unseren Leser:innen gerne erzählen würdest?

ULRIKE DÜREGGER: Ich hab schon lange ein Theaterstück im Kopf, in dem ich meinen österreichischen Background verarbeiten will. Denn ich bin doch a bißl kritisch mit diesem Bild der Heimatidylle. Es kann für manche auch ein Alptraum und eben keine heile Welt sein. Und natürlich bastel ich schon wieder an der nächsten CD, wieder mit steirischen Jazz-Songs und versuche unter #neodialect ein Bewusstsein dafür zu schaffen.


ISABELLA KRAINER: Zuletzt wie immer die Frage nach dem Lieblingsdialektwort. Wie lautet deines?

ULRIKE DÜREGGER: Boah, des is schwea! Nua ans? Rammlert, für unsauber.








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