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Die österreichische Dialektzeitschrift

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»Selbstzufriedenheit ist immer ein gutes Ziel«


Anna-Lena Obermoser, Foto: © Hannah Gehmacher


Auf der Slambühne kennt man dich als Poetin, die den Rhythm and Blues im Blut hat, deine Texte gehen nahe, nicht nur inhaltlich, sondern auch weil du eine begnadete Performerin bist. Hast du schon als Kind geschrieben beziehungsweise warst du immer schon ein Bühnenmensch?


Ich habe in meiner Jugend angefangen zu schreiben. Die Bühne und die Aufmerksamkeit habe ich immer gescheut. Seit etwa 12 Jahren stehe ich jetzt trotzdem regelmäßig vor Mikrofon und Publikum. Ich bin immer noch kein Bühnenmensch. Aber ich mag es durch meine Texte eine Stärke zu finden, die mich trägt, und die andere tragen kann; eine Intimität zu erzeugen, die die Distanz zwischen mir und den Zuhörenden bricht und dadurch eine Verbindung aufbaut, welche sehr viel Kraft und Innigkeit mitbringt. Da geht es nicht um Aufmerksamkeit. Da geht es um Einigkeit. Ich trete nicht mehr oft auf, aber wenn, dann hat es für mich jedes Mal sehr viel Bedeutung.



Du spielst in deinen Texten mit Sprache, Rhythmus und Dialekt, immer wieder fließen ganz natürlich Anglizismen ein, dein Vortrag ist dynamisch und jung, kommt ganz locker rüber und reißt mit. Wie hast du zu dieser ganz speziellen Form gefunden? Gab es da auch Vorbilder?


Ich höre super gerne Musik aller Genres, beschäftige mich mit modernem Lyricism, verfolge zeitgenössischen Spoken-Word, lese Gedichte längst verstorbener Dialektautorinnen – da sind sicher einige Einflüsse, die unterbewusst hängen bleiben und in meinen Sachen mitwirken. Meine „ganz spezielle Form“ habe ich dennoch sehr unspeziell gefunden. Ich will mich nicht bemühen, wenn ich in meinen Texten etwas erzähle. Die Einfachheit der Dinge reicht oft aus, der Dialekt malt genug. Ich will mich nicht verstellen, oder gefallen. Ich will mich fallen lassen. Da habe ich nicht den Anspruch, dass ich perfekt reime, wunderschöne Bilder erzeuge, oder makellose Metaphern, mit denen alle etwas anfangen können. Ich will mich zeigen, mit allem was ich bin. Und ich bin alles. Ich bin laut, singend, summend, leise, zart und brüllend, witzig, oder eben tiefsinnig. Das ist nicht zwingend meine Form, das ist mein Sein.


Deine Texte sind emotional und packen die Zuhörer*innen – was damit zu tun hat, dass du vom Leben erzählst. Man schmunzelt mit dir, man lacht, man trauert aber auch, man verfällt stellenweise in Selbstmitleid, man schöpft wieder Hoffnung. Und wenn du die Bühne verlässt, geht es einem irgendwie besser, trotzdem nimmt man auch etwas zum Grübeln mit. Wie entstehen deine Texte bzw. wie kommst du zu deinen Ideen?


Mein Leben hat sehr viel Fülle. Daraus kann ich schöpfen. Ich arbeite Vollzeit als Sozialarbeiterin in einer Psychiatrie. Ich genieße meine Freizeit, meine Freundschaften, mein Feierabendbier. Da kommen Themen und Ideen oft aus Gesprächen, Begegnungen, Geschehnissen des Alltäglichen. Ich nehme mir nie vor, irgendwelche großen Themen herzunehmen und dazu etwas zu schreiben. Dazu fehlt mir auch Disziplin und Verfassens-Eifer. Der Tiefgang des Gewöhnlichen tröpfelt mich täglich an und das Schöne noch dazu!


Du bist in Mittersill in Salzburg zur Welt gekommen, heute lebst du in Graz. Wie würdest du selbst deinen Dialekt bezeichnen? Lässt er sich einer Region zuordnen oder wurde deine Sprache durch das Leben in unterschiedlichen Regionen geformt?


Genau, in Mittersill geboren und im Alm- und Skidorf Königsleiten auf 1600m unter jeder Menge Tourist*innen großgeworden. Das brachte mir immer den Vorteil, dass ich im Deutschunterricht eines der wenigen Kinder gewesen bin, welches tatsächlich Hochdeutsch reden konnte. Im tiefsten Oberpinzgau tat man sich damit nämlich schwer. Meinen Dialekt würde ich als Pinzgauerisch bezeichnen, mit tiroler Einflüssen und städtischen Abflachungen zur Verständlichkeit der Allgemeinheit. Ich bin aber eher der Meinung, dass jeder Mensch seine ganz eigene Mundart hat. Wie ein Fingerabdruck quasi. Und ich denke, ich hab meine ganz eigene Mundart. Das Pinzgauern durch die Schulbildung und den Freundeskreis, das Tirolerische durch die Mama, Slang und Anglizismen, weil jo mei, ich bin halt doch Teil der Internetgeneration und zeitgleich mag ich aber das Altertümliche und finde Dialektbegriffe zu schön, um sie nicht täglich verwenden zu wollen. Gschtiascht. Griaweg. Herzigrazi. Glanglduttat. Zwidawuschz. Znaxt. Bacheiwoam. Die Liste ist ewig. Das Steirische hab ich nicht wirklich angenommen.



In DUM-Das Ultimative Magazin gibt es in jeder Ausgabe auch deine Kolumne flimmern.fischen zu lesen. Wie bist du auf den Titel gekommen? Welche Bedeutung hat er für dich?


Im Endeffekt ist alles Geschriebene, alles Replizierende ein Bruchteil von dem, was wirklich war und wahr. Ein Flimmern sozusagen. Und davon fische ich.


Beim Niederschreiben bekommen deine Texte nochmals eine andere Form. Da geht es dann auch um Zeilenumbrüche und die Niederschrift des Dialekts. Ist dir das von Anfang an leicht gefallen oder hast du dir deine Schreibweise des Dialekts erst erarbeiten müssen?


Mir fiel das von Anfang an leicht. Mit 13 hab ich mein erstes Handy bekommen und wir haben uns immer im Dialekt gesimst. Ich habe also keine Schreibweise erarbeiten müssen, sie war da. Ich schreibe so, wie ich es sage. Ohne Umlautzeichen, Kringerl, oder was auch immer. Die Form meines Geschriebenen ist mir allerdings nicht wirklich wichtig. Das Sprechen ist für mich wesentlicher. Der geschriebene Dialekt exkludiert. Der gesprochene weniger. Nicht-Dialekt-Sprechende kommen nach Auftritten zu mir und meinen häufig „ich habe nicht alles genau verstanden, aber ich habe es verstanden.“ Das funktioniert beim Geschriebenen weniger, weil die Transportmittel, die Stimme, die Haltung, meine Körpersprache, fehlen.


Du bist auch fixer Teil der Grazer Lesebühne V.O.L.T. Was bedeutet es dir, gemeinsam mit anderen auf einer Bühne zu stehen?


Kollektiv künstlerisch tätig zu sein ist essenziell für den eigenen Wachstum und Perspektiven-Erweiterung. Es kurbelt die Kreativität an, es kann ärgern, es lässt diskutieren, miteinander lachen, jammern und jammen, schreiben, schweigen, es macht Spaß, es distanziert, es vereint. Es ist toll, alleine mit einem Soloprogramm auf der Bühne zu stehen, aber es wird langweilig. Ich will mich doch nicht die ganze Zeit selber hören?! Es ist für michbereichernder den kreativen Raum für Mehrere zu öffnen.


Sich auf eine Slambühne zu wagen ist für viele ein großer Schritt. Immerhin geht es dort nicht nur um die Qualität des Textes, sondern auch um den Vortrag – und man muss sich dem Feedback des Publikums stellen. Wie war dein erste Mal auf einer Slambühne? Und was würdest du jenen Menschen raten, die sich bisher noch nie auf eine Bühne gewagt haben, aber davon träumen?


Ich war 15 und scheiße nervös. Mein Text war (nicht im Dialekt) furchtbar pathetisch und sehr sehr weltverbessernd. Genauso, wie ein erster Text sein muss. Ich bin meinen ersten Schritten, und allen die mich in der Slamszene begleitet haben, sehr sehr dankbar. Heute stehe ich der Kommerzialisierung des Poetry Slams eher kritisch gegenüber. Damals waren es Nerds und Freund*innen, die sich gegenseitig eigensinnige Texte vorgetragen haben und danach zusammen auf ein Bier oder einen Saft gegangen sind. Es ging um die Freude an der Kreativität und die Gaudi danach. Es ging nicht um das Perfekte, um die Erfolge. Ich hab mich so richtig gefühlt, so als hätte ich einen Platz gefunden. Heute stehen da fesche, großteils heteronormative Wohlstandskids, welche aalglatte Texte schreiben, um einem linksliberal-bekehrten Publikum Themen vorzupredigen, welche ohnedies Konsens sind, in einer Metrik und Machart, die sich von den restlichen Beiträgen nicht unterscheidet. Da würde ich mich heute nicht mehr hintrauen. Dort fühle ich mich nicht mehr wohl.


Allen, die sich selbst auf einer Bühne probieren wollen, rate ich es, dass sie Bühnen finden, auf denen sie sein können, wer sie sind. Das können vereinzelt Poetry Slam-Bühnen sein, das können Open-Mics sein, das können irgendwelche Talent-Wettbewerbe in irgendeinem Kaff in Hintertupfing sein, das kann die Regional-Theaterbühne sein, das kann ein Rhetorik-Seminar auf der Uni sein, ihr wisst was ich meine. Es geht niemals um den Applaus oder um das Prestige, das man erntet. Die Leute, die einem applaudieren, bewerten vielleicht deinen Auftritt, starren dich an oder jubeln dir zu. Aber sie leben nicht in deiner Haut. Die müssen nicht zufrieden mit deinem Auftritt sein. Selbstzufriedenheit ist immer ein gutes Ziel. Ehrlich zu sich sein, im Text, im Vortrag, im Umgang mit Freude oder Enttäuschung danach. Perspektiven erweitern. A Gaudi haben. Nicht die Geduld verlieren. Niemand stellt sich auf die Bühne und ist Profi. Es braucht Übung, Erfahrung, Erlebnisse. Grundsätzlich: Sich einfach nix scheissen. Wos soid scho passian?


Dieser Artikel erschien auch in der >Gratisbeilage zum aktuellen Morgenschtean (U78-79/ Nov. 2023)



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Morgenschtean – Die Österreichische Dialektzeitschrit

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Hg von: Ö.D.A. – Österreichische Dialektautor:innen

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