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"Jeder Dialekt hat seine ureigene Melodie"

Der Grazer Liedermacher Franz K. singt Cohen-Lieder im Dialekt. Am 14. April spielt er mit seiner Band im Technologiezentrum Perg. Margarita Puntigam-Kinstner hat sich mit ihm in seinem Proberaum oberhalb des Babenberger Hofs zum Interview getroffen.


Liedermacher Franz K.; Foto © August Buchmann

Deine Karriere als Musiker hat erst relativ spät begonnen. Wie kam es dazu?

Franz K.: Das war circa Mitte der 90er-Jahre. Ich habe mich damals von einem Praktikanten bei der Lebenshilfe inspirieren lassen, der Musiker war, beziehungsweise noch immer ist. Das Gitarrenspiel habe ich mir dann selbst beigebracht.

Meine erste CD entstand schließlich 1998. Auslöser waren damals zwei Ereignisse. Erstens, dass ein lieber Arbeitskollege von mir gestorben ist und zweitens, dass meine damalige Beziehung in die Brüche gegangen ist. Das Texten der Songs hat mir geholfen, mit der Situation umzugehen. Die CD "MIKE" war ein Benefiz-Projekt, der Erlös der Verkäufe ging an die Witwe meines Arbeitskollegen, sie war Mutter von drei kleinen Kindern und stand plötzlich allein da – in einer Phase, in der sie und ihr Mann eigentlich gerade etwas aufbauen wollten.


Hast du damals schon im Dialekt getextet?


Franz K.: Bei der ersten CD? Ja, zum Teil. Anfangs habe ich noch mehr auf Englisch gemacht, später kamen dann auch andere Sprachen, wie etwa das Kroatische, dazu. Aber der Dialekt hat sich dann als meine Sprache herausgestellt.


Du bist Sozialarbeiter und hast dich auch in deinem Job als Musiker und Texter eingebracht.


Franz K.: Ja, das hat sich so ergeben. Als ich zur Jugendhilfe gewechselt bin, war mein erstes Projekt ein Musikprojekt. Aufgebaut war das so, dass die Jugendlichen mir erzählt haben, was sie bewegt, und ich habe daraus Songtexte im Dialekt geschrieben. Entstanden sind sehr gesellschaftskritische Nummern, am Ende wurde dann eine CD produziert und es gab 2001 – gemeinsam mit den Jugendlichen – ein Konzert in Kapfenberg. Das könnte man als Startpunkt meiner Karriere bezeichnen, von da an habe ich regelmäßig Songs geschrieben und bin damit auch aufgetreten.

2002 erschien dann wieder eine Benefiz-CD von mir, diesmal für Licht ins Dunkel. Der Titel lautete "Wohin", gewidmet habe ich sie dem Verein Rainbows. Auf der CD war auch mein erster so genannter Hit, die "Klane Quölln". Das war zu einer Zeit, in der ich schon abendfüllende Konzerte gegeben habe, oft auch schon mit Band. Im Publikum saßen meist so an die 50 bis 100 Leute.

2003 habe ich dann den Franz Hofer kennengelernt, von da an habe ich den Literarischen Flohmarkt mit meinen Kompositionen begleitet. Diese Auftritte habe ich immer sehr genossen. Wenn du Schreibende als Zuhörerschaft hast, dann merkst du, dass sie besonders auf die Texte achten. Da kam dann auch immer gutes Feedback, ich hatte ja fast ausschließlich gesellschaftskritische Nummern im Dialekt.

Vor allem der Franz Hofer mochte meine Sachen. Er sagte immer zu mir: "Du bist noch sehr leise, aber irgendwann wirst du sehr laut sein."


Du hast dann auch einen Text von Franz Hofer vertont.


Franz K.: Genau. Das war nach seinem Tod, der mir sehr nahe ging. Ich habe einen Ausschnitt aus seinem Buch "Einen Tunnel ins Herz graben" vertont, nämlich den "Liebesbrief". Das Projekt habe ich gemeinsam mit meinem jüngeren Sohn Luka umgesetzt, der als Rapper aktiv ist.


Deine Söhne machen beide Musik – sind sie quasi in deine Fußstapfen getreten?


Franz K.: Mein Jüngerer, der Luka, ist wie gesagt Rapper. Man findet ihn als »ONETAKE666« auf Soundcloud.

Daniel ist Singer-Songwriter. Er tritt unter dem Namen »FEEL« auf und macht Grunge-Musik. Er war damit sogar schon im Radio zu hören. Manche vergleichen seinen Stil mit dem von Curd Cobain. Beide machen also etwas ganz anderes als ich, sowohl vom Musikstil her als auch sprachlich. Ich selbst sehe mich als Dialekt-Liedermacher.


Wieso hast du dich – nach anfänglichen englischen Texten – ganz für den Dialekt entschieden?


Franz K.: Ich bin im Grazer Slang aufgewachsen und habe mich schon als Kind für Dialekte interessiert. Mit meinen Eltern kam ich viel in Österreich herum, später dann auch beruflich. Schon als Jugendlicher fand ich es faszinierend, dass in Bad Aussee ein anderer Dialekt zu hören ist als etwa in der Weststeiermark. Und in der Oststeiermark klingt er ja dann wieder ganz anders.

Als ich Kind war, haben wir in Salzburg Skiurlaub gemacht. Der Dialekt dort hat mir besonders gut gefallen. Noch heute faszinieren mich diese kleinen Unterschiede. In der Sprache einer oberösterreichischen Freundin heißen die Erdäpfel "Erdöpfe", in Kärnten sind es die "Erdapfalan". Ich liebe diese Vielfalt. Und ich weiß, dass ich auch als Musiker meine Inhalte im Dialekt viel besser vermitteln kann. Ich möchte mich auch nicht strikt auf einen einzigen Dialekt einschränken lassen, ich trage mittlerweile ja viele Dialekte in mir. Mein Grazer Slang ist von allen möglichen anderen Dialekten beeinflusst – in der Landeshauptstadt kommen schließlich viele Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen zusammen. Manchmal passt ein Ausdruck aus dem Ausseerischen oder Wienerischen einfach besser zu dem, was ich ausdrücken möchte, dann nehme ich mir die Freiheit und verwende ihn auch. In meinen Liedern finden also manchmal Sätze, die mit einem Wiener Ausdruck beginnen und etwa mit einem Wort im Kärntner Dialekt enden.


Wie schreibst du deine Songs? Ist bei dir zuerst eine Textzeile da, oder doch die Melodie?


Franz K.: Hm. Eigentlich lässt sich das nicht so trennen. Wörter sind Musik. Sprich, die Sprache gibt mir automatisch immer eine Melodie vor. Vor allem im Dialekt ist ja viel Melodie drinnen. Jeder Dialekt hat seine ureigene Melodie.


Seit einigen Jahren trittst du mit Cohen-Liedern auf, die du in den Dialekt übersetzt hast. Wie kam es zu dem Projekt?


Franz K.: Das ist eine spannende Geschichte. 2017, im dem Jahr nachdem Cohen gestorben ist, habe ich den Sommer in einem kroatischen Fischerdorf verbracht. Eines Abends bin ich dort auf der Terrasse gesessen und habe die Nummer "Suzanne" rein akustisch auf meiner Gitarre gespielt. Eine Gruppe Pensionisten, die vorüber geschlendert ist, blieb stehen, um mir zuzuhören. Es hat sich dann ein Gespräch ergeben, bei dem ich erwähnt habe, dass ich mit Dialektliedern auftrete. Daraufhin wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, "Suzanne" im Dialekt zu singen. Das war quasi der Startpunkt, ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen. Ich habe Leonard Cohen immer schon sehr verehrt, ich liebe die Mischung aus seiner dunkelgrauen Stimme und dem hellen, weiblichen Background-Chor, auch gefällt mir, dass die Instrumentalisierung sehr reduziert ist.

Nach dem Urlaub habe ich "Suzanne" dann tatsächlich in den Dialekt übertragen. Und dann bin ich einfach weiter gegangen und habe begonnen, auch andere Lieder von ihm zu übersetzen. Das war – und ist noch immer – eine enorme Herausforderung für mich, da Cohen ein unheimlich großer Poet war. Mir ist es wichtig, seine Texte nicht Wort für Wort zu übersetzen, sondern den Sinn dahinter einzufangen.



Franz K. singt Leonard Cohens "Suzanne" – "sSussal"– im steirischen Dialekt. . Das Video ist ein Live- Mitschnitt aus dem "ARTists", Franz K wird von mit Petra Preiss (Gesang) und Sigrid Wollinger (Bratsche) begleitet.

Du musstest dann ja auch die passenden Musiker*innen finden, um das Projekt für die Bühne zu realisieren. Wie bist du da vorgegangen?


Franz K.: Das war tatsächlich ein sehr langer Prozess. In meinem Kopf ist alles schon fix, fertig gestanden, ich musste also herausfinden, wer den Part für mich am besten erfüllt und wer auch menschlich gut zusammenpasst. Ich habe dann aber wirklich großartige Musiker und Musikerinnen für dieses Projekt gewinnen können, wie zum Beispiel den Christoph Pichler, der für mich einer der besten Jazz- und Blues-Gitarristen Österreichs ist. Petra Preiss hat mich von Beginn an als Background-Sängerin begleitet. Dann kam Alfred Valta am Kontrabass dazu, anfangs war auch noch Boris Mihaljčić an der Geige dabei, später hat Sigrid Wollinger den Part an der Geige beziehungsweise Bratsche übernommen.

Mittlerweile haben wir auch Bettina Kollmann dabei – eine großartige Jazzsängerin mit einer wahnsinnig souligen Stimme, die ich vor vielen Jahren im Babenberger Hof gehört und dann aus den Augen verloren hatte. Der Zufall hat uns wieder zusammengeführt und zu meinem Glück hat sie sich gleich für das Projekt begeistert.

Wenn wir heute auftreten, geben wir ja nicht nur die Cohen-Nummern zum Besten, wenngleich sie natürlich der Aufhänger sind. Wir haben auch Jazz-Nummern im Programm, wie etwa die Autumn Leaves, die bei uns "Heabstblattln fliagn" heißen. Und auch meine Eigenkompositionen spielen wir, wie etwa die "Pepica" – ein Lied, das ich einer verstorbenen Bekannten aus Kroatien gewidmet habe–, oder auch meine zwei Hits "On the Mountains" und die "Klane Qullön". Diese Lieder braucht es, um das Publikum aufzulockern, danach kehren wir wieder zu Cohen zurück.


Du suchst dir für jedes Projekt neue Musiker*innen. Wie begibst du dich da auf die Suche? Kennst du die Leute schon oder ergeben sich da spontane Zusammenarbeiten?


Franz K.: Die Grazer Szene ist ja recht überschaubar. Wenn man da mal eine Zeitlang dabei ist, kennt man die Leute. Oder man kennt wen, der wieder jemanden fragen kann. So habe ich zum Beispiel auch den Florian Randacher kennengelernt, der mir wiederum einen Produzenten vorgestellt hat, und so weiter.

Alfred Valta wurde mir sogar von einem Zuhörer empfohlen, der mich im Humboldt Keller gehört hat. Dass der gut zu mir passen könnte, meinte er.


v.l.n.r.: Sigrid Wollinger, Alfred Valta, Franz K., Petra Preiss, Christoph Pichler
v.l.n.r.: Sigrid Wollinger, Alfred Valta, Franz K., Petra Preiss, Christoph Pichler, Bettina Kollmann; Foto: © August Puchmann

Eines von Leonard Cohens bekanntesten und am öftesten gecoverten Liedern ist "Hallelujah". Hast du dich da auch schon drüber gewagt?


Franz K.: Das war tatsächlich ein Lied, das ich nie vorhatte, in den Dialekt zu übertragen. Erstens, weil sich Cohen gewünscht hat, dass es keine weiteren Cover-Versionen geben soll, zweitens, weil ich ziemlich lange gesessen bin, als ich tatsächlich einmal versucht habe, dieses Lied in den Dialekt zu übertragen. Ich habe dann aber eine gänzlich neue, zweite Version von Cohen entdeckt. Sie ist auf dem Album „Cohen Live“ von 1994 zu hören. Auf YouTube findet man das Lied als Original Best Version. Hier ist der Text ganz anders. Weil Cohens Kommunikation mit Gott irgendwann abgebrochen ist und er nicht mehr bekommen hat, was er gebraucht hätte. Diese Version ist ein gebrochenes, ein einsames Hallelujah. Und diesen Text habe ich dann auch viel besser verstanden als die ursprüngliche Version, die ja sehr ans alte Testament angelehnt ist. Ich habe dann ziemlich genau eine Stunde gebraucht, um Cohens 2. Version in den Dialekt zu übertragen. Diese Übersetzung spielen wir live, und die wollen wir dann auch aufnehmen.



Das heißt, es es wird bald eine neue "Franz K. singt Cohen"-CD geben?


Franz K.: Da sind wir dran, ja. Wir haben ja schon 2018 eine CD aufgenommen, aber da die Rechte mit Sony Music noch immer nicht geklärt sind, dürfen wir sie nach wie vor nur zu Werbezwecken verschenken. Ich habe gehofft, dass dieser rechtliche Prozess schneller geht, aber leider ist es ziemlich mühsam, da weiterzukommen. Ich muss Dialekt-Übertragungen auch immer ins Hochdeutsche übersetzen, weil die dort prüfen wollen, ob ich den Sinn richtig erfasst habe. Es hat sich aber herausgestellt, dass ich Live-Aufnahmen mitschneiden und auf CD pressen darf. Also machen wir das demnächst.



Gibt es auch schon Ideen für nächste Projekte?

Franz K.: Ich bin an einer Sache mit meinen beiden Söhnen dran, aber das wird noch dauern. Nach der Cohen-Geschichte würde es mich reizen, auch andere Liedermacher zu übersetzen. Paolo Conte ist eine Idee von mir, auch Zuchhero würde ich sehr gerne in den Dialekt übertragen. Aber ich bin noch lange nicht soweit, ich muss erst die Sprache lernen, damit ich mich nicht auf Übersetzungen anderer verlassen muss. Das wird also wahrscheinlich ein paar Jahre dauern. Im Moment bin ich aber sowieso noch am Übersetzen neuer Cohen-Songs und am Perfektionieren der älteren. Und natürlich gibt es dazwischen auch eigene Kompositionen.



Apropos. Wann ist eigentlich euer nächstes Konzert? Und wo finden Interessierte deine Ankündigungen?


Franz K.: Wir spielen am 14. April in Perg im Marchland.

Um zu sehen, was sich bei mir so tut, schaut man am besten auf Facebook vorbei, dort findet man mich unter FranzK. Liedermacher.


Zum Schluss noch eine Frage, die wir beim MORGENSCHTEAN besonders gerne stellen: Was ist dein Lieblings-Dialeketwort?


Franz K.: Puh ... Da muss ich überlegen. Es gibt viele Sprüche, die ich mag, wie etwa "In der Ruhe liegt die Kraft". Die Ruhe ist überhaupt meins. Insofern passt vielleicht "gmiatlich". Ja, "gmiatlich", das passt zu mir. Außer in der Musik. Die sollte auf gut Steirisch dann schon auch "spaunnend" sein.



 

nächstes Konzert von Franz K. & Band:

Franz K. singt Cohen

Fr, 14. April, 19:30 Technologiezentrum Perg, Technologiepark 17, 4320 Perg Karten und Infos unter: https://www.perg.at/events/franz-k-singt-leonard-cohen-liederabend



Franz K. mit Band, © August Puchmann

 


Der neue Morgenschtean mit Dialektliteratur zum Thema "Beruf & Berufung" sowie mit einem Literatur-Sonderteil aus der Steiermark erscheint am 15. Mai 2023. Schauen Sie auf unserem Blog auf www.oeda.at/morgenschtean vorbei, der die Ausgabe noch bis Juni mit Interviews und Porträts sowie – ab Erscheinungstermin – mit Hörtexten aus der Steiermark begleitet.


 







Morgenschtean – Die Österreichische Dialektzeitschrit

Hg von: Ö.D.A. – Österreichische Dialektautor:innen

Institut für regionale Sprachen und Kultur

Gumpendorfer Str. 15, 1060 Wien

Kontakt: morgenschtean@oeda.at

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